Knowledge-Equity-Kalender/20
„Wikimedia muss in der Lage sein zuzuhören und Raum für marginalisierte Stimmen schaffen.”
„Wissensgerechtigkeit“ (Knowledge Equity) bedeutet im Wesentlichen, ein Ungleichgewicht durch zwei Mittel zu beheben: den gleichberechtigten Zugang zum Wissen für Gruppen, die traditionell davon ausgeschlossen sind, und die Anerkennung des Wissens, über das verschiedene soziale Gruppen verfügen.
So wurden Frauen beispielsweise auf dem indischen Subkontinent im 19. Jahrhundert keine Möglichkeiten für formale Bildung oder auch nur eine grundlegende Alphabetisierung gewährt. Auch die Rede- und Meinungsfreiheit wird Frauen in vielen Teilen der Welt nach wie vor verwehrt. Geschichten, akademischen Werke, Bücher, Folklore, mündliche Erzählungen und Alltagspraktiken weniger privilegierter sozialer Gruppen werfen ein Licht auf den Standpunkt und die gelebten Erfahrungen von Menschen, die traditionell von dominanteren sozialen Gruppen überschattet werden. Diese mündlichen Überlieferungen werden jedoch nicht als legitime Wissensquellen anerkannt. Allenfalls werden sie als anekdotische Beweise, „Erinnerungen“ oder, üblicherweise, als „unzuverlässige Wissensquellen“ angesehen.
Wir beide haben beharrlich daran gearbeitet, mehr Raum für Menschen zu schaffen, die in den indischen Wikimedia-Commuinities (aber auch anderswo) nicht präsent sind. Wir haben gemeinsam den allerersten Verhaltenskodex (Code of Conduct) für eine Wikimedia-Veranstaltung in Indien entworfen und umgesetzt, auf der WikiConference India 2016. Wir haben auch ein sogenannte „Allied Framework“ für mehr Diversität und Inklusion für Organisatoren entworfen, ebenso wie eine Friendly Space Policy, sowie einen Lösungsverfahren bei Vorfällen. Wir waren auch bei den im „Incident Response Team“ der Konferenz tätig.
Im Jahr 2018 erhielten wir eine finanzielle Förderung von der Wikimedia Foundation, um das „Community Toolkit for Greater Diversity“ sowohl als Material-Grundlage wie auch als Basis für Gespräche rund um das Thema Vielfalt zu schaffen und verschiedene Stimmen dabei zu unterstützen über ihre Erfahrungen zu sprechen. Als Teil dieses Projekts haben wir einen Trainingsworkshop durchgeführt, um Frauen bei Führungsverantwortung wie Inklusion mit den Materialien dieses Toolkits zu unterstützen.
Leider gibt es nur sehr wenig Unterstützung oder finanzielle Mittel zur Förderung der Wissensgerechtigkeit. Die Finanzierungsprozesse für Initiativen, die sich um dieses Thema kümmern, sollten nicht in einem Beliebtheitswettbewerb mit anderen Ideen konkurrieren müssen – das ist quasi ein Widerspruch in sich. Die zur Finanzierung und Durchführung eines solches Projektes braucht andere Mechanismen der Unterstützung. Das liegt auch daran, dass „Sozialkapital“ und „soziale Währung“ (bzw das Fehlen davon) überhaupt erst zu den Gründen für die Marginalisierung von Menschen führen.
Wikimedia muss in der Lage sein zuzuhören und Raum für marginalisierte Stimmen bieten. Das gilt für alle, auch für uns. Die Wikimedia Foundation und die Communities in Machtpositionen müssen Prozesse schaffen und unterstützen, die „Wissensgerechtigkeit“ fördern. Diese Systeme müssen sowohl über den Top-Down- als auch den Bottom-Up-Ansatz geschaffen werden. Der Weg zur Erreichung von „Wissensgerechtigkeit“ ist lang und schwierig und es gibt keine schnellen Lösungen dafür. Der Schlüssel dazu ist, diese Arbeit konsequent und systematisch fortzusetzen.